Taktische Ausschlagung

Taktische Ausschlagung – das kann sich lohnen!

Beispiel: Der Erblasser hat drei Kinder, A, B und C. Sie werden gesetzliche Erben. Das Erbe ist 900.000 Euro wert. Da B kinderlos ist und er nach seinem Tode seine Geschwister A und C (bzw. deren Abkömmlinge) letztwillig bedenken will, macht die Ausschlagung der Erbschaft gegen Abfindung (z.B. Wohnungsrecht im Wert von 100.000) Sinn. Ansonsten würde B zwar zunächst 300.000 Euro steuerfrei nach dem Vater erben (Freibetrag: 400.000 €). Er würde dann aber 300.000 € an die beiden Geschwister vererben, wofür zusätzliche Erbschaftsteuer in Höhe von 52.000 Euro anfiele (2 x 20 Prozent aus 150.000 ./. 20.000), weil unter den Geschwistern der Freibetrag nur 20.000 € ist.

§ 3 Abs. 2 Nr. ErbStG bestimmt:

(2) Als vom Erblasser zugewendet gilt auch …
4. was als Abfindung … für die Ausschlagung einer Erbschaft … gewährt wird.

Wird für die Ausschlagung der Erbschaft oder eines Erbteils eine Abfindung geleistet, gilt diese als vom Erblasser – und nicht vom Leistenden – angefallen. Das ist wegen der Steuerklasse nach dem Erblasser und den Freibeträgen nach dem Erblasser wichtig. Nach dem Vater hat der Abgefundene einen Freibetrag von 400.000 Euro und bei einer Mehrabfindung die niedrigen Steuersätze der Steuerklasse I. Müsste er für den gleichen Erwerb als von seinem Bruder, dem die Ausschlagung zu gute kommt, stammend versteuern, hätte er nur einen Freibetrag von 20.000 Euro und befände sich in der schlechteren Steuerklasse II.

Grund dafür, dass die Abfindung als vom Erblasser stammend behandelt wird, ist, dass die Abfindung ein Ersatz für den bereits angefallenen Erwerb (Erbe oder Erbteil, vgl. § 3 Abs. 1 ErbStG) ist. Der zunächst angefallene Erbschaftserwerb wird durch die Ausschlagung der Erbschaft binnen der Sechswochenfrist rückwirkend auf den Erbfall beseitigt (§ 1953 Abs. 1 BGB). Wohnte der Erblasser im Ausland oder hielt sich der Ausschlagende zum Fristbeginn im Ausland auf, verlängert sich die Ausschlagungsfrist auf 6 Monate.

Die Steuer nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG entsteht im Zeitpunkt der Erklärung der Ausschlagung (§ 9 Abs. 1 Nr 1 f ErbStG), die gegenüber dem Nachlassgericht erfolgt.

Der Abfindende kann die Abfindung als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb abziehen, da es sich um Kosten handelt, die dem Erwerber mit der Erlangung des Erwerbs entstehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG).

Vorsicht: Einkommensteuerlich soll die Ausschlagung des Erbteils gegen Abfindung als Veräußerung zu behandeln sein (so die Finanzverwaltung). Bei Unternehmen droht hier die Aufdeckung stiller Reserven. Bei Privatimmobilien innerhalb der Zehnjahresfrist ein Spekulationsgewinn.