Rechtsschutzversicherung im Arbeitsrecht – Anwaltskosten
Im Arbeitsrecht besteht die Besonderheit, dass Sie von der Gegenseite ihre Kosten in der ersten Instanz nicht erstattet bekommen, selbst wenn Sie den Prozess gewinnen. Üblicher-weise muss derjenige den Prozess bezahlen, der verloren hat. Im Arbeitsrecht ist das in der ersten Instanz aber nicht so. Deswegen empfiehlt es sich, eine Rechtschutzversicherung abzuschließen.
Aber auch die Rechtsschutzversicherungen lehnen oftmals vorschnell die Deckungszusage für die Prozeßkosten ab. Hier ist es wichtig, sich entsprechend wehren zu können.
Rechtsschutzversicherung – BGH entscheidet Streitfrage zu den Voraussetzungen für einen Rechtsschutzfall
Sachverhalt
Der VN (Versicherungsnehmer) begehrt von seinem Rechtsschutz-VR die Erstattung gezahlter Rechtsanwaltskosten. Dem Versicherungsvertrag liegen die ARB 75 zugrunde. Versichert sind Familien und Verkehrsrechtsschutz für Nichtselbstständige, die auch nach § 26 Abs. 5 c ARB die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen umfasst.
Anfang 2006 teilte der Arbeitgeber des VN mit, dass sein Arbeitsplatz im Rahmen eines Restrukturierungs-programms gestrichen und ihm gekündigt werde, wenn er nicht den angebotenen Aufhebungsvertrag annehme. Im Fall einer Kündigung sollte es für den VN keine Abfindung geben. Eine Abfindung war jedoch für den Fall der Annahme des angebotenen Aufhebungsvertrags vorgesehen. Eine Sozialauswahl hat nach Behauptung des Arbeitgebers stattgefunden, nähere Angaben wurden verweigert. Nachdem der Kläger in den Betriebsrat gewählt wurde, erfolgte keine Kündigung mehr.
Der VR lehnte Versicherungsschutz ab, weil ein Versicherungsfall nicht eingetreten sei. Das bloße Inaussichtstellen einer Kündigung begründe als reine Absichtserklärung im Gegensatz zu einer unberechtigt erklärten Kündigung keine Veränderung der Rechtsposition des VN und damit keinen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften. Das Aufhebungsangebot habe sich im Rahmen der Privatautonomie bewegt. Die Klage des VN auf Erstattung seiner Kosten war in allen Instanzen erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Der VR ist verpflichtet, dem VN Versicherungsschutz zu gewähren und die geltend gemachten Anwaltskosten zu erstatten. Der dagegen erhobene Einwand, es fehle am Eintritt eines Versicherungsfalls greift nicht durch. Der Rechtsschutzfall ist nach dem insoweit ausschließlich maßgeblichen Vortrag des VN zum Vorgehen seines Arbeitgebers eingetreten. Die Frage, wann ein den Rechtsschutzfall auslösender Verstoß anzunehmen sei, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht stellt, wird in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum nach unterschiedlichen Ansätzen behandelt. Diese Ansätze tragen – jedenfalls zum Teil – nicht hinreichend den Grundsätzen Rechnung, die der Senat in seiner seit Langem gefestigten und auch von der Rechtslehre nicht in Frage gestellten Rechtsprechung zur Bestimmung des Verstoßes des abhängigen Rechtsschutzfalls i.S.v. § 14 Abs. 3 S. 1 ARB 75 entwickelt hat. Aus der maßgeblichen Sicht eines VN ist ein Rechtsschutzfall anzunehmen, wenn das Vorbringen des VN (1) einen objektiven Tatsachenkern – in Gegensatz zu einem bloßen Werturteil – enthält, mit dem er (2) den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbindet und worauf er dann (3) seine Interessenverfolgung stützt (BGH VK 08, 18 = VersR 08, 113; VersR 05,1684; VersR 03, 638).
Der vorgetragene Tatsachenkern muss die Beurteilung erlauben, ob der damit beschriebene Vorgang den zwischen den Parteien ausgebrochenen Konflikt jedenfalls mit ausgelöst hat. Dieser muss also geeignet sein, den Keim für zukünftige rechtliche Auseinandersetzungen zu legen. Weiterer qualifizierender Voraussetzungen bedarf es nicht. Ein adäquater Ursachenzusammenhang reicht aus. Bei dem damit verbundenen Vorwurf ist auf die für den Verstoß gegebene Begründung abzustellen.
Checkliste: Das muss bedacht werden
Auf folgende Gesichtspunkte kommt es nicht an:
- Berechtigung oder Erweislichkeit des Pflichtenverstoßes,
- Schlüssigkeit, Substanziiertheit oder Entscheidungserheblichkeit dieser Behauptung,
- ob es tatsächlich zu einem Verstoß gekommen ist, der den Vertragspartner bereits in seiner Rechtsposition beeinträchtigt.
Entscheidend ist vielmehr, dass
- eine behauptete Pflichtverletzung zur Grundlage einer rechtlichen Streitigkeit wird,
- eine der streitenden Parteien den angeblichen Verstoß der Gegenseite zur Stützung ihrer Position heranzieht und
- die Vorwürfe nicht nur als Beiwerk vorgetragen werden.
Dieses weite Verständnis trägt den Interessen beider Parteien Rechnung. Dem VR bleibt je nach Sachlage der Einwand mangelnder Erfolgsaussichten unbenommen und der VN ist vor einer sonst drohenden schleichenden Aushöhlung des Leistungsversprechens gewahrt. Die Festlegung, wann erstmals ernsthaft ein Pflichtenverstoß angelastet und der Versicherungsfall ausgelöst wird, kann je nach Beginn oder Ablauf der Versicherungszeit zugunsten des einen oder anderen Vertragspartners ausschlagen.
Nach Darstellung des VN ist der Rechtsschutzfall durch das Vorgehen seines Arbeitgebers eingetreten. An der Ernsthaftigkeit, das Arbeitsverhältnis auf diese Weise auf jeden Fall zu beenden und nicht etwa nur vorbereitende Gespräche über Möglichkeiten von betrieblich bedingten Stellenreduzierungen führen zu wollen, besteht kein Zweifel. Mit diesen behaupteten Tatsachen hat der VN den Vorwurf begründet, der Arbeitgeber habe seine Fürsorgepflicht verletzt und damit eine Vertragsverletzung begangen. Er habe eine Kündigung ohne Auskunft über die Sozialauswahl in Aussicht gestellt, die – weil sozial ungerechtfertigt – rechtswidrig wäre. Mit diesem Verhalten beginnt sich die vom VR übernommene Gefahr zu verwirklichen. Damit ist ein Rechtspflichtenverstoß i.S.v. § 14 Abs. 3 S. 1 ARB 75 ausreichend dargetan. Ob die rechtliche Bewertung zutreffend ist, bleibt für den Eintritt des Rechtsschutzfalls ohne Bedeutung.
Dem erfreulich klaren Urteil ist wenig hinzuzufügen. Es sollte also schon bei Auftragserteilung die Deckungszusage unter Bezugnahme auf die BGH-Entscheidung eingeholt werden.